Kriegskinder erzählen
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Foto: Frederike HelwigHannelore Bille - geboren 1936 in BerlinMeine Mutter hat Bauchschmerzen, aber sie wartet so lange, bis eine Nachbarin sie ins Krankenhaus bringt. Die Ärzte können nur feststellen, dass der Wurmfortsatz geplatzt und der Eiter bis in die Bauchhöhle gedrungen ist. Sie sagen, das einzige, was helfen kann, ist Penicillin. Das gibt es nur auf dem Schwarzmarkt. Meine jüngste Tante hat es irgendwie geschafft, das Medikament zu besorgen, aber es ist zu spät. Meine Mutter wird in dem Krankenhaus zwischen Flur, Bad und irgendwelchen Kämmerchen hin- und hergeschoben. Sie ist von einem Geruch wie verfaultes Fleisch umgeben. Als sie sagt, dass sie Durst hat, laufe ich heulend von einer Kneipe zur anderen, um ihr Limonade zu kaufen. Wenig später stirbt sie.
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Kriegskinder erzählen
Diejenigen, die Ende der 1930er-, Anfang der 1940er-Jahre geboren wurden und während des Zweiten Weltkriegs aufwuchsen, sind heute in ihrem achten Lebensjahrzehnt. Die "Kriegskinder" schauen zurück, sprechen teilweise zum ersten Mal darüber, was sie geprägt hat: Bomben, Flucht, Angst, Hunger, Krankheit, Tod, verschwundene Väter, überforderte Mütter, aber auch die Sprachlosigkeit der Nachkriegszeit – Erinnerungen an den Krieg und dessen generationsübergreifende Folgen sollten vergessen werden.