Süßer die Glocken nie twittern

Süßer die Glocken nie twittern

 Manchmal scheint mir fast, das Wichtigste an einem Handy ist heutzutage der personalisierte, möglichst witzige Klingelton. Doch womit will man noch auffallen in diesen Tagen? Ist nicht alles schon mal da gewesen? Der altmodische Klingelton der Deutschen Bundespost: Längst wieder out. Eine Quäkestimme, die ruft: „Geh doch mal ran!“ - seit Jahren bekannt. Der Lieblingssong: Kommt immer im unpassenden Moment.

Früher, bei den allerersten Handys, als man noch Klingeltöne mühsam von Hand selber programmieren konnte (einstimmig natürlich, aber immerhin!), da hatte ich mal das „Vaterunser“-Lied als Klingelton. (Das in C-Dur, für die Musiker unter uns). Das hat mich sogar einmal gerettet, als das Handy beim Gottesdienst in der Sakristei lag und der Kollege gerade beim feierlichen Kirchweihgottesdienst die Predigt hielt. Handy klingelt „Vaterunser“, ich schnell in die Sakristei. (Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen: Das Gerät hatte einen Schaden und ließ sich nicht mehr ausschalten, darum hatte ich es ja in der Sakristei gelassen.) Nachher erfuhr ich, dass viele gedacht hatten, die Organistin hätte während der Predigt geübt und ich hätte ihr mannhaft die Meinung gegeigt. Na ja. Kleines Missverständnis.

Aber auch die Zeiten der monophonen selbstgestrickten Klingeltöne sind lange, lange vorbei. Der letzte Schrei kam vor einiger Zeit via Bluetooth auf mein Handy. Gewissermaßen der Monster-Klingelton schlechthin: Eine Kirchenglocke. In meinem Fall die von Dresden. Ja, ehrlich: Das fetzt. Jedenfalls, wenn man Pfarrer ist. Seitdem finde ich es fast schade, dass ich so selten angerufen werde. Das letzte Mal mitten im Tanzkurs. DONG DONG DONG. Tja.

Bei der Gelegenheit: Kirchenglocken erobern auch sonst das Internet. Ehrlich. Die Glocken des Kölner Doms können Sie sich direkt im Internet anhören. Zum Beispiel die Petersglocke: http://www.koelner-dom.de/stpetersglocke.html Ein Video gibt es auch. Kirchenglocke 2.0 sozusagen. Aber die Glocken können noch mehr: Sie twittern sogar. Nicht nur der Kölner Dom, aber auch der. Lassen Sie sich das nicht entgehen und folgen Sie dem Kölner Dom unter @koelner_dom – Sie werden staunen und Ihre Timeline wird gewaltig bereichert werden. Ganz bestimmt. DONG DONG DONG.

Auch die Zeitungen steigen auf den Zug auf: Neulich wurde in unserer Gegend eine neue Glocke eingeweiht. Was für ein Service der Lokalzeitung: Im Web eine Hörprobe der Kirche ohne und mit neuer Glocke. DONG DONG DONG. Journalismus Schlag 2.0.

Nur eine Sorge habe ich: Dass in Zukunft, nachdem ich ja nun den Geheimtipp „Klingelton Kirchenglocken“ öffentlich gemacht habe, in Zukunft alle Handys mit Kirchenglockentönen läuten. Dann ist meines ja nichts Besonderes mehr. Muss ich mir was Neues suchen. Vielleicht das Vaterunser-Lied. Aber das in A-Dur. DONG DONG DONG.

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