Neue Nasen bei Twitter (Peer Steinbrück, Papst). Neue Kürzungsmeldungen (der Freitag), bekannte Sparpläne im Detail (WAZ), Gründe für Sparpläne (ZDF). Ein erster Test der Welt-Paywall. Und der Verriss eines Fernsehfilms.
Guten Morgen, liebe NRZ-Leser. Na, das ist ja mal ein Winterwetterchen da draußen, hm?
So, wollte kurz auch mal die NRZ-Leser einfangen; die haben es laut WAZ-Geschäftsführung zum Tageseinstieg gerne jahreszeitlich, wir kommen darauf zurück, was das heißt. Achtung, liebe NRZ-Leser, und jetzt geht es dann ganz langsam los... nicht ausrutschen, es ist glatt!
Wie fangen wir denn heute an? Vielleicht mit dem erwähnenswerten Timing einer beliebten Illustrierten: "Was macht eigentlich Ravi Shankar?", fragt der Stern in seiner aktuellen, eigentlich donnerstags erscheinenden Ausgabe, worauf gestern ein Leser hingewiesen hat. In den tagesaktuellen Medien stehen heute bzw. online seit gestern dagegen Nachrufe auf den indischen Musiker.
Die etwas mehr Beachtung findenden Medienthemen des Tages sind allerdings andere. Es geht etwa um Neu-Twitterer und vor allem um Kürzungspläne.
Ein Thema ist etwa der erste Tweet des Papstes, der sich gestern mehrsprachig, wie sagt man?, ereignete: – "Liebe Freunde! Gerne verbinde ich mich mit euch über Twitter. Danke für die netten Antworten. Von Herzen segne ich euch." –, und den die Süddeutsche Zeitung zusammen mit der Twitterkarriere des Peer Steinbrück (siehe hierzu auch Tagesspiegel) zu einem Medienseitentext verarztet.
Zwischendurch wieder was Gewohntes für die lieben Leser, die es gerne ein bisschen jahreszeitlich mögen: Weihnachtsfernsehen. Im Medienseitenaufmacher gönnt die SZ einem Fernsehfilm mal einen ziemlich harten Verriss. Das ist man in dieser Schärfe eher nicht gewohnt, jedenfalls nicht, wenn Veronica Ferres und Christiane Hörbiger mitspielen. Es geht um ein Remake des "Kleinen Lords", das "Die Kleine Lady" heißt:
"(N)atürlich ist bald Weihnachten, und da isst man auch immer dasselbe, aber kann man Spielfilmbudgets nicht vielleicht sinnvoller ausgeben als für ein kreuzbraves Remake eines ohnehin schon schrecklich spießigen Films?"
+++ Zurück aber zu Twitter. Es geht im Papst- und Steinbrück-Twitter-SZ-Text anschließend, liebe Winterwetterfreunde, noch um einen angeblichen Twitter-Fauxpas von Boris Becker. Und da wären wir dann auch bei der Welt und somit bei der Altpapier-Zahlenmystik vom 12.12.12, also von gestern: Die Welt hat da – wie wir mittlerweile wissen: um natürlich 12 Uhr – ihre Paywall geöffnet (oder sagt man geschlossen?). Für die Geschichtsbücher, der meistgelesene Artikel am Ende des Premierentages (0 Uhr, oder wie man bei der Welt sagt: 12 Uhr plus 12 Stunden): "Boris Becker erntet 'Shitstorm' für Twitter-Meldung".
Aber es ist zugegebenermaßen etwas unfair, das überhaupt für die Geschichtsbücher festzuhalten – die besagte Paywall ist ja eigentlich eine Flatrate, und deren Qualität bemisst sich an den besten, nicht an den hingewichstesten Artikeln. Daher hier noch etwas Gutes: Was man nach einem Tag Welt-Paywall sagen kann, ist, dass sie technisch wohl funktioniert. Nach 20 geklickten Artikeln wird man um Bezahlung gebeten, der Bezahlvorgang funktioniert dann recht reibungslos. Nur wer meine Daten kriegt, habe ich noch nicht nachvollzogen.
Ja, ich habe getestet und bezahlt. Ja wirklich, liebe Welt: Ich war derjenige.
+++ Ein anderes Medienthema ist auch heute die allgemeine Kürzungsbereitschaft in der Branche. Ob die sog. Zeitungskrise nun deren Ursache oder nicht doch eher deren gefühltes Ergebnis ist, sei mal dahingestellt. Im NDR lief gestern Abend jedenfalls ein schöner, trauriger Film, "Der Tod einer Zeitung", über die letzten Arbeitstage in der FTD-Redaktion, den anzusehen sich auch heute noch lohnt – 27:50 Minuten. 2000 gegründet, 2012 eingestellt, und der etwas hintenrum formulierte Schlüsselsatz für alle Fachfremden fällt in Minute fünf: "Von Anfang an fehlen genügend Leser."
Die Kürzungs-Neuigkeit des gestrigen Tages aber betrifft eine Wochenzeitung: Dass der Freitag (für den ich regelmäßig und gerne arbeite) kürzt, wurde gestern via taz.de bekannt und von Meedia anschließend weiterverbreitet. Er muss sparen. Soll sparen. Wird jedenfalls sparen. Von neun Stellen in Redaktion und Verlag ist die Rede, 9 von 40, wobei Verleger Jakob Augstein selbst in einem Blog auf freitag.de auf die taz verweist, was man wohl auch in den Details als Bestätigung verstehen kann. An dieser und anderer Stelle bei freitag.de kommentieren einige User etwas ratlos vor sich hin.
+++ Das ZDF spart ebenfalls Personal, allerdings bekanntlich aus anderen Gründen – die Kommission zur zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) hat es so gefordert. Darum geht es in Welt (geschrieben von Kai-Hinrich Renner, eigentlich von der Schwester Hamburger Abendblatt, die eng mit der Welt-Gruppe verzahnt wurde) und Berliner Zeitung/Frankfurter Rundschau. (Siehe auch das Altpapier vom Montag, in dem eine Resolution der Mitarbeiter an die KEF das Thema war.) In den beiden jüngeren Artikeln kommt an prominenter Stelle der ehemalige Intendant Markus Schächter vor.
"Schächters Digitaloffensive hatte einen hohen Preis",
kommentiert Renner. Und in der FR/BLZ heißt es:
"Jahrelang hat der frühere Intendant Markus Schächter ausgebaut, was das Zeug hält – bis die Gebührenkommission KEF einschritt. Die fordert einen personellen Rückbau. Zunächst war noch von etwa 300 Stellen die Rede, Schächters Nachfolger Thomas Bellut spricht inzwischen von 'bis zu 400' von insgesamt 6 000 Arbeitsplätzen."
+++ Fehlen noch die nicht neuen Sparpläne der WAZ, die Ulrike Simon für die wiederum Berliner Zeitung/Frankfurter Rundschau betrachtet. Manfred Braun wird hier als Mann beschrieben, der als für Zeitschriften zuständiger Geschäftsführer von Zeitungsredakteuren "nicht die allerbeste Meinung" habe; anschließend geht es um den "mal wieder größten Umbau der Geschichte", was mal wieder klingt, als wäre es inhaltlich so halbtoll, Hauptsache, am Ende haben weniger Leute Arbeit. "Einige Lokalredaktionen stehen auf der Kippe", weil Kosten gesenkt werden müssten, heißt es.
Nun aber kommt das Phänomenale: Braun engagierte, so ist zu lesen, Marktforscher und einen Psychologen und will, wie er der FAZ im Sommer sagte und womit er nun zitiert wird, "zum ersten Mal nicht mit Sparen, sondern mit Investitionen in die Qualität und am Produkt einen Trend" beeinflussen, was man, Stand heute, wohl als "nicht nur mit Sparen" verstehen kann:
"Braun klatscht die heutigen Ausgaben der vier NRW-Zeitungen nebeneinander auf den Boden seines Büros. Jede hat ein Foto vom gestrigen Fußballspiel auf dem Titel – nur die NRZ nicht. Sie hat sich für ein jahreszeitliches Bild entschieden. Der NRZ-Leser sei anders als der der WAZ oder der Westfälischen Rundschau, sagt Braun. Eine Zeitung müsse das Grundgefühl der Leser spiegeln."
Ulrike Simon:
"Während man noch schluckt und sich fragt, inwiefern diese Art von heimeligem Heimatjournalismus Nachrichten unterschlägt und Wirklichkeit verfälscht, sagt Braun: Es komme darauf an, den richtigen Ausschnitt der Wirklichkeit zu wählen."
Zum Beispiel den mit dem jahreszeitlichen Bild. Wie gesagt, liebe NRZ-Leser: Das ist ja mal ein Winterwetterchen da draußen, hm?
+++ Die SZ traf Wolfgang Klein, der 14 Jahre lang Polittalkshows gemacht hat und nun in Rente geht, und sprach mit ihm über Talks: "beim Talk geht es seiner Meinung nach sowieso nicht um faktenorientierten Erkenntnisgewinn: Für Informationen im engeren Sinn, 'gibt es natürlich erheblich bessere Methoden, sich zu informieren.' Die Welt der Talkshow, wie sie Wolfgang Klein sieht, ist etwas ganz anderes. Sagen wir, es ist eine Bühne. Oder ein nationaler Stammtisch. Deshalb fallen ihm die Vorwahlsendungen von ARD und ZDF in Zeiten von Brandt, Wehner, Schmidt und Strauß ein; deshalb findet er es 'schwierig', dass Frank Plasberg in der ARD jetzt auch über Baumärkte redet und 'ohne Not seine politische Kompetenz aufgegeben' habe" +++
+++ Noch eine Geschichte gibt es, die auf mehreren Medienseiten auftaucht: Die internationalen Fußballverbände Fifa und Uefa haben vor dem Europäischen Gerichtshof in Sachen Fernsehsenderechte vorerst verloren. Sie hatten gegen ein Urteil von 2011 Einspruch eingelegt, demzufolge in Belgien und England bestimmte Spiele immer auch im frei empfangbaren Fernsehen laufen müssen (FAZ). SZ: "Ob Welt- und Europameisterschaften im Free-TV gesendet werden, sollen weiterhin die Länder in Absprache mit der Europäischen Kommission bestimmen dürfen". Ein endgültiges Urteil soll kommendes Jahr fallen +++
+++ Weniger komplex, aber nicht weniger interessant ist die Materie, in die der Tagesspiegel einsteigt: Telefonscherze von Radiosendern. Wann hört der Spaß auf?, fragen Sonja Pohlmann und Christopher Weckwerth, auch, aber nicht nur juristisch +++
+++ 1:13 Stunden lang unterhalten sich Marcel Weiss (neunetz.com) und Thierry Chervel (Perlentaucher) u.a. "über das geplante Presseleistungsschutzrecht, wie sich deutsche Journalisten ihr Publikum vorstellen, ePaper und andere gescheiterte Bezahlmodelle, Paywalls, Leserbriefseiten im Economist, Finanzdatendienstleister, automatisierte Textproduktion, die Provinzialität der deutschen Politik, wie die Architektur eines modernen Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks aussehen könnte" – ich hab's nur teilweise geschafft, aber wer (zwischendurch längliche) Podcasts mag: hier +++ Ein weiterer Beitrag zum #lsr steht bei irights.info: "Die Bundesregierung hat auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag geantwortet, die einen ausführlichen Fragenkatalog zum Presse-Leistungsschutzrecht vorgelegt hatte. Im Zentrum stand dabei die Frage, wen und was das neue Recht nun eigentlich – über Suchmaschinen hinaus – betreffen soll"; die Antwort lautet, die "abstrakt-allgemeine Regelung wird nach Verabschiedung des Gesetzes auf konkrete Sachverhalte anzuwenden sein", man weiß es also irgendwie so konkret nicht +++
+++ Der Tagesspiegel befasst sich mit den Öffentlich-Rechtlichen, die er "in der Defensive" sieht, was sicher richtig ist, schon angesichts der Diskussionen über die neue Haushaltsabgabe, die tendenziell ähnlich sachlich verhandelt wird wie etwa das Leistungsschutzrecht – eine Ausnahme ist die laufende Serie der taz, die auch heute weitergeht. Konkret geht es im Tagesspiegel um den Deutschlandfunk und dessen recht konkrete Vorhaben +++ Altpapier-Autor René Martens schreibt in der taz über einen Bild-Redakteur, der Akteneinsicht von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) forderte, um einzusehen, "was die Bafin-Leute getrieben haben" in Sachen Hypo Real Estate: "Am Dienstag kam es vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt zur Verhandlung in erster Instanz. Sie verlief nicht im Sinne der Informationsfreiheit. Das Gericht legte dar, dass es die Klage abweisen werde" +++
Das Altpapier gibt es am Freitag wieder.